Nach Alawiten-Massaker ein Hoffnungsschimmer für Syrien

Syriens islamistische Machthaber einigen sich mit den Kurden

Limassol/Damaskus von Michael Wrase

Aus Syrien kommen auch gute Nachrichten. Nachdem noch am Wochenende Berichte über Massaker an der Religionsgemeinschaft der Alawiten für negative Schlagzeilen gesorgt hatten, konnten die islamistischen Machthaber in Damaskus nun mit einem Abkommen mit der kurdischen Minderheit ein positives Zeichen setzen: Die in der syrischen Hauptstadt unterzeichnete Vereinbarung sieht die vollständige Eingliederung der kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) in alle zivilen und militärischen Institutionen des neuen Syriens vor.
 
Mit der Zustimmung der Vertragsparteien sollen ab sofort alle Feindseligkeiten vollständig eingestellt werden. Die „SDF“ überlassen dem Staat, also den islamistischen Milizen der „HTS“, die Kontrolle der Grenzposten, Flughäfen und wichtigsten Öl – und Gasfeldfelder im Nordosten von Syrien. Im Gegenzug erkennt die Zentralmacht in Damaskus die kurdische Minderheit, die mit 2.5 Millionen Menschen knapp 15 Prozent der Gesamtbevölkerung in Syrien ausmacht, als „integralen Bestandteil des syrischen Staates“ an.
 
Der Befehlshaber der „SDF“, Mazloum Abdi, nannte das Abkommen „eine echte Chance, ein neues Syrien auszubauen“. Wichtigste Voraussetzung dafür ist die buchstabengetreue Umsetzung der Vereinbarung, die nach den Erfahrungen der Vergangenheit keinesfalls garantiert ist.
 
Die „SDF“ ist ein gut bewaffneter und ausgebildeter Verbund von Milizen mit einer Gesamtstärke von etwa 50 000 Männern und Frauen. Etwa die Hälfte von ihnen gehörigen den kurdischen Volksschutzmilizen (YPG) an, die sich als verlängerter syrischer Arm der verbotenen marxistischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betrachten. Ihr inhaftierter Führer Abdallah Öcalan hatte vor kurzem einen Waffenstillstand erklärt und alle Mitglieder zum Niederlegen ihrer Waffen aufgefordert.

 

Die syrische „SDF“ hatte den Waffenstillstandsappell als „für sie nicht bindend“ zurückgewiesen. Es bleibt nun abzuwarten, wie die Türkei auf die in Damaskus unterzeichnete Vereinbarung mit den syrischen Kurden reagieren wird. Sollte das Abkommen in Ankara akzeptiert werden, müsste die Türkei ihre politischen und vor allem militärischen Anstrengungen zur Zerschlagung des kurdischen Autonomiegebietes in Syrien einstellen und hinnehmen, dass an den Südgrenzen der Türkei ein von Damaskus ausdrücklich anerkannter föderaler kurdischer Bundesstaat entsteht. Dass ein solcher „Teil-Staat“ eine politische Signalwirkung auf die Türkei und die dortige kurdische Minderheit haben wird, liegt auf der Hand.
 
Internationale Syrienexperten sprechen vor diesem Hintergrund von einem Wendepunkt für die Entwicklung in Syrien. „Für die internationale Staatengemeinschaft bedeutet eine potentielle Lösung des Konflikts zwischen der SDF und Damaskus einen enormen Fortschritt für den Übergang in Syrien“, sagte der Nahostexperte Charles Lister dem „Wallstreet Journal“.
 
Die Vereinbarung könnte idealerweise auch ein Art Blaupause für Abkommen mit anderen ethnischen und religiösen Minderheiten sein. So streben die syrischen Drusen – wie die Kurden – ebenfalls regionale Autonomie an. Ihre Anstrengungen werden von der israelischen Armee unterstützt, die vor zwei Wochen einseitig die „Entmilitarisierung von Süd-Syrien“, dem Siedlungsgebiet der Drusen, angeordnet hatte und in regelmässigen Abständen Luftangriffe auf militärische Ziele der islamischen HTS-Regierung fliegt.
 
Keine regionalen Verbündeten haben dagegen die Alawiten, die am Wochenende Opfer von Rachemassakern dschihadistischer HTS-Milizen waren. Zuvor war ein Aufstand von Gefolgsleuten des im Dezember 2024 gestürzten Assad-Regimes fehlgeschlagen.