„Ihre Stimme ist ein Symbol der Hoffnung“

Parastoo Ahmadi ist verhaftet worden. Um ihren Protest gegen das Mullah-Regime zum Ausdruck zu bringen, hatte die junge iranische Sängerin in der vergangenen Woche ein Tabu gebrochen: Sie sang ohne Kopftuch, im schwarzen Abendkleid.

Limassol/Teheran von Michael Wrase

Parastoo Ahmadi hatte ihren Auftritt in der Deyr-e Gachin-Karawanserei fast schon generalstabsmässig geplant. Bereits im September postete die Sängerin und Pianistin in den sozialen Medien ein Foto von sich vor dem historischen Gebäude im Süden von Teheran: Ohne Kopftuch. Sie wollte, wie die furchtlose Iranerin später schrieb, „an einem Ort auftreten, wo sich die Geschichte und unsere Mythen verflechten“. „Das Recht für ein Land zu singen, das ich leidenschaftlich liebe, kann mir niemand nehmen“, fügte die 27 Jahre alte Künstlerin hinzu.

 

Drei Monate später war es dann soweit:  Von vier professionellen Musikern begleitet, präsentierte die im schwarzen Abendkleid auftretende Parastoo Ahmadi zunächst einige (unpolitische) Evergreens aus der Schah-Zeit, ehe sie voller Hingabe die Lieder der iranischen Protestbewegung sang, die unter dem Namen „Frau, Leben, Freiheit“ weltweit bekanntgeworden ist. Darunter war auch die „Widerstandshymne“ „Küss mich“ (persisch: Mara bebus), in dem es um die letzten Worte eines zum Tode verurteilten iranischen Oppositionellen an seine Geliebte geht.

 

Das auf You Tube gestellte Video des Konzertes wurde seit dem letzten Mittwoch knapp1.7 Millionen Mal aufgerufen. Als Parastoo ihre Lieder sang, wusste sie ganz genau, dass sie „mit ihrem Auftritt ohne den obligatorischen Hedschab (Kopftuch) jahrelange Haft riskiert“, schrieb Karim Sadjapour, Iran-Experte beim Carnegie Endowment for International Peace auf X: Ihr live gestreamter Auftritt war ein „Akt des aussergewöhnlichen Mutes“, welchen den iranischen Mullahs als „unerträgliche Provokation“ empfinden würde.

 

Nur drei Tage konnte die neue Ikone der iranischen Protestbewegung nach ihrem Konzert in Der-e Gachin noch in Freiheit leben. Dann wurde Parastoo in Sari, der Hauptstadt der am Kaspischen Meer gelegenen Provinz Mazandaran, verhaftet. Weder ihren Aufenthaltsort noch die genauen Anschuldigungen hat die iranische Staatsanwaltschaft bisher bekanntgegeben. Auch zwei der vier Musiker, die Parastoo begleitet hatten, wurden am Wochenende in Teheran verhaftet.

Schwierigkeiten bei der Anklageschrift dürfte die Justiz nicht haben: Denn nach islamischem Recht ist es bereits eine schwere Straftat, wenn Frauen sich Männern, die nicht mit ihnen verwandt sind, ohne Kopftuch zeigen. Erschwerend bei der Strafzumessung kommt vermutlich noch die Tatsache hinzu, dass die „unverhüllte“ Parastoo mit ihren Liedern die iranische Protestbewegung stärken wollte, was aus der Perspektive des Regimes nicht anderes bedeutet als ein Aufruf zur Rebellion oder zum Regimechange im Iran.

 

Das könne nicht ausgeschlossen werden, dass Frau Ahmadi den Zeitpunkt ihres Auftritts „sehr bewusst geplant hat“, glaubt die Kölner Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur. Nach dem Debakel der Revolutionsgardisten in Syrien und dem Libanon sei das Regime aussenpolitisch stark geschwächt. Gleichzeitig bemühe es sich, die restriktive Kopftuch-Gesetzgebung noch einmal zu verschärfen. Vor diesem Hintergrund könnte der Auftritt von Ahmadi „als Funke gedacht gewesen sein, um das Feuer des Widerstandes neu zu entfachen“, schrieb Aminpour in der „Süddeutschen Zeitung“.

 

Die von Parastoo Ahmadi in der Karawanserei von Deyr-e Gachin gesungenen Lieder bedeuteten „einen weiteren Riss im Fundament von Irans verrotteter Theokratie“, analysiert Karim Sadjapour vom Carnegie Endowment. „Ihre Stimme ist ein Symbol der Hoffnung. Sie singt aus dem Herzen einer Nation, die sich nach Freiheit sehnt“, betont Elham Omidvari.

 

Für die in Kanada lebende Aktivistin der iranischen Opposition war „der Auftritt von Parastoo Ahmadi ein mutiges Bekenntnis zur Freiheit, zur Kunst sowie zur Widerstandfähigkeit der iranischen Frauen“.