Es dürfte nur ein Zufall gewesen sein, dass die gewaltige Explosion im iranischen Containerhafen Shahid Rajaee mit der letzten Verhandlungsrunde zwischen iranischen und US-amerikanischen Diplomaten in Oman zusammenfiel. Die angeblich „sehr ernsthaft und professionell“ geführten Gespräche sollen am kommenden Wochenende fortgesetzt werden. Ob bis zu diesem Zeitpunkt auch die wahre Ursache für die Explosionskatastrophe in der iranischen Hafenstadt Bandar Abbas geklärt wurde, ist unwahrscheinlich.
Mindestens 25 Menschen kamen bei dem von Augenzeugen als „Apokalypse“ beschriebenen Unglück am Samstagmorgen ums Leben. Über 500 wurden zum Teil schwer verletzt. Sieben Menschen werden noch vermisst. Als Ursache nennen von der iranischen Nachrichtenagentur ILNA befragte Mitarbeiter des lokalen Katastrophenschutzes „Chemikalien, die in an den Kaianlagen abgestellten Containern explodiert seien“. Das iranische Staatsfernsehen zeigte eine dichte, braun-rötlich schimmernde Rauchsäule, die nach dem Unglück aufstieg. Unsachgemässer Umgang mit den brennbaren Materialen, also Fahrlässigkeit, könnte zur Explosion beigetragen haben.
Die iranische Regierung ordnete eine „lückenlose Untersuchung der Ursachen“ an und warnte lokale und internationale Medien vor voreiligen Spekulationen. Es gebe bislang keine Hinweise auf einen Sabotageakt - über den in den sozialen Medien im Iran sowie den nahen Vereinigten Arabischen Emiraten sofort spekuliert wurde. Dort hatte ein von der BBC befragte Sprecher der privaten britischen Sicherheitsfirma Ambrey nur wenige Stunden nach Explosion erklärt, dass die von der Explosion betroffenen Container Festtreibstoff für ballistische iranische Raketen enthalten hätten.
Das leicht lösliche Natriumperchlorat sei Teil einer grossen Lieferung aus China gewesen, hatte die Financial Times bereits im Januar dieses Jahres berichtet. Die Komponenten sollten nach Einschätzung von Experten, die ungenannt bleiben wollten, dafür verwendet werden, die durch Angriffe auf Israel im Oktober letzten Jahr verbrauchten iranischen Raketenbestände wieder aufzustocken. Israelische Gegenschläge hatten sich daraufhin gegen die iranische Raketenproduktion gerichtet. Dabei sollen vor allem Anlagen zur Herstellung von Raketentreibstoff getroffen worden sein, die ebenfalls auch China importiert worden seien.
Als Zeitrahmen für die Reparatur der Anlagen wurde in westlichen Geheimdienstkreisen ein Jahr genannt. Um weiterhin Raketen produzieren zu können, war und ist Iran daher auf die Lieferung jenes Natriumperchlorat-Raketentreibstoffes angewiesen, der am Samstagmorgen im Containerhafen Shahid Rajaee explodierte. Ob Sabotage oder Fahrlässigkeit die Ursache dafür war, wird sich vermutlich nicht sobald feststellen lassen. Als sicher gilt indes, dass man in Israel nicht unglücklich über die Explosion von Festtreibstoff für ballistische iranische Raketen sein dürfte. Schliesslich wurde der ohnehin angeschlagene iranische Erzfeind durch die Katastrophe weiter geschwächt.
Israel besteht seit mehr als zehn Jahren auf die komplette Demontage des iranischen Nuklearprogramm, zudem auch das ballistische Raketenarsenal gezählt wird. Bei den iranisch-amerikanischen Atomgesprächen geht es dagegen um eine auf Verifikation basierende Lösung, die das Nuklearprogramm des Iran stark begrenzen soll anstatt es zu eliminieren.