Es soll eine iranische Rakete vom Typ „Falak 1“ gewesen sein, die am Samstagabend auf einem Fussballplatz in der Ortschaft Madsch al-Schams eingeschlagen war und zwölf Menschen tötete. Bei den Opfern handelt es sich um Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 10 und 20 Jahren. Sie gehörten der arabischsprechenden Glaubensgemeinschaft der Drusen an, die grösstensteils auf den von Israel besetzten Golanhöhen lebt. Für das Blutbad hat die israelische Regierung die libanesische Terrororganisation Hisbollah verantwortlich gemacht.
„Das Massaker“, hiess es in Jerusalem, „stellt die Überschreitung aller roten Linien dar“. Israel werde daher umgehend seine „Pflicht zur Selbstverteidigung ausüben und auf das Massaker reagieren“. Bereits in der Nacht zum Sonntag hatte die israelische Luftwaffe Stellungen und Waffenlager der proiranischen Miliz im gesamten Libanon angriffen. Gegen Sonntagmittag rasten dann mehrere israelische Kampfflugzeuge im Tiefflug über Süd-Beirut, wo sich die wichtigsten Kommandozentralen der Hisbollah befinden.
Beginnt nun der seit Monaten befürchtete „allumfassende Krieg“ gegen die Hisbollah? , fragten sich die Menschen in der libanesischen Hauptstadt und schauten sorgenvoll zum Himmel. Wenige Stunden vor der israelischen Machtdemonstration hatte ein Sprecher der Hisbollah bestritten, für den Raketenangriff verantwortlich zu sein. Die Menschen auf dem Fussballplatz, behauptete er dreist, seien von den Trümmern israelischer Luftabwehrraketen getötet worden.
Das Dementi aus Beirut wurde selbst von den pro-arabischen Analysten der Fernsehsenders Al Jazeera skeptisch kommentiert. „Der Widerruf der Hisbollah könnte zumindest ein Hinweis darauf sein, dass es, selbst wenn sich um eine Hisbollah-Rakete handelte, nicht die Absicht der Gruppe war, diesen Fussballplatz anzugreifen, erklärte Omar Baddar, der Chefkommentator des Senders, gewunden. Optimistisch fügte er hinzu, dass sowohl Israel als auch die Hisbollah den Wunsch hätten, einen „umfassenden Krieg“ in der Region zu vermeiden.
Tatsächlich hatte der rechtsgerichtete israelische Wirtschaftsminister Nir Barkat während der Trauerfeier für die 12 getöteten Drusen lautstark gefragt, warum „Beirut noch nicht dem Erdboden gleichgemacht“ worden sei. Barkat sei daraufhin von der drusischen Trauergemeinde wütend zurechtgewiesen und ausgepfiffen worden, berichtete die israelische Zeitung Yedioth Ahronoth.
Vieles spricht dafür, dass sich die Hardliner in der Regierung von Benjamin Netanjahu vorerst nicht durchsetzen werden. Laut israelischen Aussenministerium gebe es „noch immer eine Möglichkeit, um einen allumfassenden Krieg, für den Libanon verheerenden, Krieg zu verhindern“. Die internationale Staatengemeinschaft müsse Hisbollah lediglich zwingen, sich gemäss einer UN-Resolution bis zum Litani-Fluss zurückzuziehen. Dieser fliesst etwa 25 Kilometer nördlich der israelisch-libanesischen Grenze ins Mittelmeer. Eine weitere „Friedens-Möglichkeit“ wäre ein Waffenstillstand im Gazastreifen.
„Beide Fronten sind miteinander verbunden“, betonte ein hochrangiger ägyptischer Regierungsbeamter am Sonntag in Rom: Ein Waffenstillstand in Gaza werde zwangsläufig zu einem Waffenstillstand mit der Hisbollah. Diplomaten der USA, Ägypten und Katar hatten sich gestern mit israelischen Beamten in der italienischen Hauptstadt getroffen. Grundlage der Verhandlungen ist ein mehrstufiger Plan von US-Präsident Joe Biden, der am Ende eine dauerhafte Waffenruhe und die Freilassung aller Geiseln in der Gewalt der Hamas vorsieht.
Laut israelischen Medienberichten soll Netanjahu den Plan inzwischen „modifiziert“ haben. Danach will das israelische Militär strategisch wichtige Positionen im Gazastreifen „auf unbestimmte Zeit“ besetzen – was für Hamas und damit auch die Hisbollah vermutlich ein „No Go“ wäre.